Pornosucht – ab wann ist das schon Problem und was hilft dagegen
Die Sucht
„Sucht ist das nicht mehr kontrollierbare Verlangen nach einem bestimmten Gefühls-, Erlebnis- und Bewusstseinszustand“. So definiert die Weltgesundheitsorganisation WHO in ihrem offiziellen Statement das Thema Sucht. Sucht bezieht sich dabei einmal auf den Gebrauch von Substanzen mit Suchtpotenzial. Zum Anderen ist beinahe jede menschliche Verhaltensweise geeignet, zur Sucht zu werden. Beispielsweise Spielsucht, Arbeitssucht, Sucht nach sexueller Befriedigung. Bei der Suchtentstehung werden folgende Phasen durchlaufen: Erfahrung, Wiederholung, Gewöhnung, Missbrauch und Abhängigkeit.
Die Pornosucht
Nach Abraham Maslow gehört Sexualität neben Ernährung zu den physiologischen Grundbedürfnissen. Sexualität erzeugt einen starken Reiz im Belohnungszentrum des Gehirns. Glückshormone werden in großem Umfang ausgeschüttet. Die Ernährung kommt hierbei erst auf Platz zwei. Mit Eintritt eines Gewöhnungseffektes steigt die individuelle Reizschwelle. Anders ausgedrückt, um das jeweils vorangegangene Reizniveau erneut zu erreichen, muss die Dosis erhöht werden. Der Betroffene konsumiert länger und extremer. Dies ist der Einstieg in die Pornosucht. Wie bei anderen Suchtformen auch sind die Übergänge von gelegentlicher Nutzung zu tatsächlicher Abhängigkeit fließend.
Das Problem
Problematisch wird es, wenn sich das Gehirn an das Glücksgefühl gewöhnt und immer mehr davon benötigt. Die dauerhaft regelmäßige Masturbation zu Pornos kann in der Folge zu einer allein darauf fokussierten Konditionierung führen. Der Partner genügt für das Erreichen sexueller Erregung sowie sexueller Befriedigung nicht mehr. Es kann zu Störungen der Sexualfunktion kommen. In ausgeprägten Stadien der Pornosucht verliert der Betroffene das Interesse an seinem sozialen Umfeld. Freunde, Familie und möglicherweise auch der Beruf werden vernachlässigt.
Die Symptome der Pornosucht
Zunächst einmal ist nicht jeder, der gelegentlich ein Sex-Video schaut, bereits pornosüchtig. Umfragen belegen, dass beinahe 43 Prozent der Internetnutzer unter anderem auch Pornoseiten besuchen. Von einer Randgruppe kann damit keine Rede mehr sein.
Gefährdet sind Menschen, denen ein soziales Umfeld gänzlich oder teilweise fehlt.
Ein gefestigter Kontakt zu Freunden und Familie, ein erfülltes Berufsleben oder Hobbys verhindern das Abgleiten in die Sucht. Sind diese Faktoren nicht gegeben, ist das Gefährdungspotenzial ausgeprägt. Für viele Betroffene geht es beim Konsum von pornografischen Inhalten um das Vermeiden schlechter Gefühle. Ungelöste Probleme treten in den Hintergrund, lassen sich kurzzeitig vergessen. Hinzu kommt, dass es keine Schwierigkeit darstellt, nahezu unbegrenzt und kostengünstig auf pornografisches Material zuzugreifen.
Folgende Anzeichen sind Symptome für eine bestehende Abhängigkeit:
- Kontrollverlust – der Betroffene kann sein Verhalten nicht aus eigener Kraft unterbinden
- Toleranzentwicklung – es werden immer extremere Reize, in immer kürzeren Zeitabstände benötigt
- Negative Auswirkungen im Alltag – das soziale Umfeld, Freizeitaktivitäten oder der Beruf werden vernachlässigt
- Unbefriedigendes Sexleben – das Interesse an realem Sex schwindet
- Verstecken – aus Scham wird das Verhalten verheimlicht
- Anstelle der Gefühle wird die Sucht befriedigt – die Sexualität wird von den eigenen Gefühlen getrennt; diese treten bei der Suchtbefriedigung in den Hintergrund
Die Abhilfe – die Pornosucht überwinden
Wie bei jeder anderen Sucht auch ist der erste und wesentliche Schritt das Akzeptieren der Realität. Erkenntnis und Eingeständnis, dass ein Problem in Form einer Sucht faktisch vorliegt, ist die notwendige Voraussetzung für alle weiteren Schritte, diese zu überwinden. Im Weiteren sollte sich der Betroffene vergegenwärtigen, dass er mit seiner Sucht nicht allein ist. Die Annahme, nicht normal oder anders zu sein, ist falsch und hilft nicht. Glaubt man aktuellen Schätzungen, ist etwa eine halbe Million Menschen allein in Deutschland von Pornosucht betroffen. Mittlerweile zählt die Weltgesundheitsorganisation WHO Pornosucht zu den zwanghaften sexuellen Störungen. Der Ausstieg aus der Sucht kann mithilfe kleiner Schritte erfolgen. So sollte zunächst der Konsum eingeschränkt werden. Die Installation einer geeigneten Software hat sich in der Praxis als hilfreich erwiesen. Ein Automatismus in dieser Software informiert eine Vertrauensperson, wenn der Betroffene erneut auf Seiten mit pornografischem Inhalt landet. Eine weitere Option besteht in der ausschließlichen Nutzung von Fotos anstelle bewegter Bilder, um zu Erregung und Befriedigung zu gelangen. Mit dem Wechsel auf monochrome Darstellungen, beispielsweise im künstlerischen Bereich, kann dies fortgeführt werden. Schließlich sollte angestrebt werden, sexuelle Stimulation ganz ohne Vorlage, lediglich durch die Bilder im Kopf, zu ermöglichen.
Das Vorgehen
Die folgenden Ansätze können vermeintlich oder tatsächlich Betroffenen helfen, mit ihrer Sucht umzugehen:
Informieren – Aufklärung ist der erste Schritt, das eigene Verhalten zu deuten und einzuordnen. Das Internet bietet eine Vielzahl von Artikeln und Abhandlungen, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen.
Entzug – neben der bereits erwähnten Software können verhaltenstherapeutische Maßnahmen den Ausstieg aus der Sucht unterstützen. Externe und interne Triggerpunkte, die die Sucht befördern, sollten umgangen werden. Der Betroffene muss sich vergegenwärtigen, welche dieser Trigger bei ihm wirksam sind. Das Einhalten bewusster Off-Phasen von Rechner, Smartphone oder Tablet sowie das Löschen entsprechenden, die Sucht fördernden Materials hilft beim Entzug.
Selbsthilfegruppen – der Austausch mit anderen Betroffenen kann Trost spenden und das Gefühl vermitteln, mit seiner Sucht nicht allein zu sein. Meist in anonymem Rahmen ist ein Austausch sowie gegenseitige Unterstützung möglich.
Selbstwertgefühl steigern – das angeschlagene Selbstbewusstsein, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sollte aufgebaut, sofern erforderlich wieder hergestellt, werden. Hobbys oder Sport sind eine geeignete Basis dafür und lenken von der ausschließlichen Fokussierung auf die Sucht ab.
Entspannung – Begleiterscheinungen einer Pornosucht sind oftmals innerlicher Stress sowie eine gestörte Impulskontrolle. Entspannungsübungen, autogenes Training, Meditation oder Yoga können helfen, dem entgegenzuwirken.
Die Erkenntnis
Pornosüchtig ist nicht, wer sich im Internet Video-Clips mit sexuellen Inhalten ansieht. Nahezu die Hälfte der Internetnutzer tut dies. Sollte jedoch der Verdacht vorliegen, dass sich das eigene Handeln der bewussten Kontrolle entzieht und eine eigenständige Steuerung nicht mehr möglich ist, ist es angebracht, dies zu hinterfragen. Frühzeitiges Gegensteuern kann das Abgleiten in die mögliche Sucht verhindern. Der Ausstieg aus einer ausgeprägten Sucht ist um vieles schwieriger als das rechtzeitige Gegensteuern.